Ich träume. Eis überall. Wir stehen am Strand, tiefe kalte Wintersonne. Der Sand hart, gefrorene Eisrinnsaale in den Mulden, die das Wasser zuvor geformt hat. Das Meer steht. Kalt, glatt, fest gefroren, Eis. Wann friert das Meer denn hier zu? „Eigentlich nie“ flüstert mein Ich. Rosa, weiss, grau, blau liegt der Himmel in Schichten über dem Horizont. Irgendwoher zieht Dunkelheit auf. Du willst Schlittschuhlaufen. Ich habe Angst. Ich möchte nicht, möchte nicht, dass du das tust. Bleib am Strand. Du hörst nicht, du trotziges Kind. Ich habe Angst und bin so wütend. Du strebst zum Meer, möchtest auf das Eis. Ich nicht. „Das Eis trägt nicht.“ hört mein Ich mich flehen. „Geh nicht, tu das nicht!“. Du bist so stur. „Da sind Löcher im Eis, es trägt nicht, du wirst einbrechen.“, ziehe ich dich am Ärmel. Du strebst von mir fort, siehst mich nicht an, das Gesicht der eisigen Weite zugewandt. Vielleicht weine ich, vielleicht breche ich. Nicht ein, zusammen. Bestimmtheit in der Stimme: „Ich kann da nicht mit, ich kann da nicht mitkommen, ich kann dich nicht begleiten. Ich komme nicht mit.“. Wach. Ein Traum im Sommer.
Hoch sind die Berge. Steile Gipfel. Klaffen steinige Kanten auseinander, grau und dunkel. Schatten. Und Schnee. Weißer Schnee. Eine Zackenkrone von Gipfeln in meinem Rücken, stehe ich am Abgrund. Kalte Füße, schmerzende Zehen, unsicher auf dem Boden, auf dem man nicht haftet. Eis. Eis kann weich erscheinen. Wenn man einen Eiswürfel unter fließendes Wasser hält, schmilzt die kantige Würfelform und glänzende Bögen und Wellen entstehen. Ganz glatt. Aber nie wirklich weich. Meine Augen sehen nichts als die Scholle unter meinen unsicheren Füßen, die Halt suchen, aber rutschen, abgleiten. Vor mir der Abgrund, unter mir das Eis, dunkel, kalt. Die Nacht zieht auf. Alle Muskeln ziehen sich zusammen. Falle ich? Wach. Ein Traum im Herbst.
Ich fahre Auto. Im Parkhaus. Alles grauer Beton. Fahles Licht, Neonlicht gemischt mit Tageslicht von grauem Himmel. Farblos irgendwie. Das Parkhaus ist groß. Die Seiten sind offen. Muss ich parken, oder muss ich hier raus? Ich muss fahren. Die gewundenen Parkhausstraßen entlang. Hoch und runter in die verschiedenen Parkdecks. Alles ist gerade und glatt, irgendwie auch sauber. Ich muss einen Weg finden. Ich finde ihn nicht, es geht nicht. Ich merke, dass es neben den Parkhausstraßen auch Rodelpisten gibt, die das Parkhaus durchziehen. Die meisten führen aber oben auf dem Dach entlang. Gefrorene Wege, weiß und glatt. Ich wechsle auf die Rodelpiste. Mein Schlitten ist aus Plastik und schlittert hart auf dem Eis. Es geht vorwärts. Ich versuche zu lenken. Die Kreuzungen und Abzweigungen rauschen vorbei. Ich weiß, ich muss die nächste Linkskurve kriegen. So scharf geht diese ab. Kira ist auch dabei, bemerke ich nun. Ich halte ihn fest. Er rutscht halb vom Schlitten, weil ich ihn halten und gleichzeitig lenken muss. Mein Fuß stemmt sich mit der Kannte hart in die Bahn, um den Schlitten zu drehen, nach links. Wach. Ein Wintertraum im Winter.
„Von gefrorenen Gefühlen kann man bei Ihnen ja eigentlich nicht sprechen“
„Finde ich auch nicht.“
„Was ist das mit dem Eis dann?“
„Ich weiß nicht.“
Ich überlege, lasse mich treiben in den Assoziationen. Mir kommen Wintertage mit gefrorenen Seen in den Sinn. Bilder überschwemmen mich. Tiefe Sonne vom strahlend blauen Himmel. Schilf, das von Raureif gebannt, wie Zahnstocher aus dem Eis ragt. Rosa ziehen Streifen am Horizont auf, alles pastell, meine Wangen rot. Meine Nasenspitze ist kalt, immer. Seine nie. Ich fahre, gleite, wir fahren über den See. Der See singt. Das Eis schwingt unter der Sonne und klirrt ohne zu brechen, ein Konzert des Spätnachmittags. Wenn die Temperatur sich plötzlich verändert, passiert das, habe ich gelernt. Es tönt so laut, dass ich erschrecke, aber er lacht. Und fährt vor, die Kufen zeichnen Linien auf dem dunklen Eis, mit weißem Stift. Ich friere die Bilder ein.